Thailand

Nachtzug nach Bangkok 🇹🇭

Eisenbahn fahren gehört seit meiner Kindheit zu den nostalgischsten Momenten. Ich fahre gerne Zug. Man kann dem Geist freien Lauf lassen während die Landschaft an einem vorbeifliegt. Es scheint als würde Raum und Zeit keine Rolle mehr spielen. Man beobachtet Menschen in Häusern, in Dörfern, in Autos… Oft frage ich mich, welche Geschichten wohl diejenigen zu erzählen haben, welche sich unbeobachtet fühlen und es dennoch nicht sind.

Es herrscht auf kleinstem Raum die größte Distanz, welche Menschen zueinander haben können. Bekanntschaften dauern die Länge einer Fahrt an. Für mich ist es ein eigener Orbit. Behaglich, gemütlich, man entzieht sich für kurze Zeit dem Leben. Vor vielen Jahren entdeckte ich die Nachtzüge für mich. Seinerzeit war die Strecke Zürich – Berlin gut verfügbar. Ich nutzte sie einige Male und war von dem Konzept angetan.

Nun sitzen wir hier. Im Nachtzug nach Bangkok. Alleine der Satz lässt mich nostalgisch werden. Ich zücke unser IPad und entscheide mich dieser Nostalgie hinzugeben und einen Beitrag über das Eisenbahnfahren in Asien zu verfassen.

Die staatliche, thailändische Eisenbahn hat erst vor Kurzem einen neuen Nachtzug auf die Schienen gebracht. Optisch sehr ansprechend und luxuriös. Auf unserer Fahrt in den Norden bis fast an die Grenze Chinas werden wir diesen nutzen.

Für heute sitzen wir jedoch in einem der legendären Nachtzüge, welche in Thailand in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts eingeführt wurden und noch heute fahren. Aufgeteilt in drei Klassen, ist für jeden Geldbeutel etwas zu haben.

Die erste Klasse bietet eigene Abteile für vier Personen, ein Waschbecken und – so war es zumindest wohl noch bis kurz nach dem zweiten Weltkrieg – eine individuell zu regulierende Klimaanlage. Alle heutzutage Zugreisenden in Asien wissen, was das wichtigste Utensil in einem Nachtzug ist – die Rolle Klebeband. Alternativ tut es auch die geklaute Rolle Klopapier aus der Bordtoilette, insofern es dort welches gibt. (Die in Asien noch anzutreffenden Stehklos in Zügen verfügen meist über kein Papier, sondern über einen Art Duschschlauch. Es ist mir bis heute schleierhaft, wie das technisch funktionieren soll. Mein einziger Versuch in die Richtung endete in einem Beinahe-Desaster). Die erste Aufgabe nach Bezug des Abteils ist es nun die noch verbliebenen Lüftungslöcher an der Decke des Zuges mit Klebeband abzudichten, so dass nur noch ein leichter Strom Restluft entweichen kann. Dies lässt sich am besten bewerkstelligen, in dem man mit einem Bein auf der Kante des oberen Betts steht, das zweite Bein spagatartig gegen die andere Seite des Abteils presst, die Klebebandrolle mit dem Mund fixiert und versucht abzudichten, was Generationen von Zugfahrenden ebenfalls vor uns versucht haben. Gelingt dies nicht, kann man sich auf 16 Grad Außentemperatur im Abteil einstellen. Nicht selten trifft man Fahrgäste in dicken Jacken an. Im Gegenzug verfügt die erste Klasse jedoch über einen „Boardservice“. Eine kostenfreie Flasche Wasser und ein Frühstück, welches man getrost bei Seite lassen kann.

Die zweite Klasse ist ein Grossraumwagen, deren Sitze vom Zugpersonal ab einer gewissen Uhrzeit zu vollwertigen Betten umfunktioniert werden. In Fahrtrichtung befinden sich jeweils zwei Betten übereinander. Das untere Bett hat den Vorteil der Sicht nach Außen durch das Fenster und ist etwas breiter. Auch die zweite Klasse ist klimatisiert. Durch die Vorhänge jedoch, welche vor jedem Bett zum Mittelgang des Wagons angebracht sind und sich komplett zuziehen lassen, kann man sich der Klimaanlage erstaunlich gut entziehen und es herrscht sowohl eine gewisse Privatsphäre als auch eine angenehme Schlaftemperatur. In der ersten und zweiten Klasse werden Kissen und Decken gestellt. Sauber und hygienisch.

Die dritte Klasse verfügt über Schlafsitze und Ventilatoren. Für eine ganze Nacht finde ich dies persönlich zu unbequem. Aber auf diese Art lässt sich das gesamte Land – immerhin knapp 1.800 km – für weniger als 15,- Euro durchqueren.

Bahnfahren in Asien ist, wie das gesamte öffentliche Verkehrssystem, erschwinglich und für Europäer spottbillig. Es ist authentisch, man sieht viel vom Land und es stellt für uns eine, auch aus ökologischer Sicht, absolute Alternative zu inländischen Flügen dar (welche ebenfalls sehr günstig sind). Im Falle der Reise mit einem Nachtzug spart man sich die Kosten für das Hotel in dieser Nacht und für die Kids ist es ein riesen Erlebnis. Man investiert Zeit – davon haben wir reichlich. Man erhält Authentizität – das, was wir suchen.

Wir haben uns für die heutige Fahrt in der zweiten Klasse eingebucht. Emilia ist aufgeregt. Oberes Bett oder unteres Bett? Es geht die Leiter ein Dutzend mal hoch und runter. Schließlich entscheidet sie sich für die obere Etage – oder doch lieber zusammen mit Papa in der Unteren? Es bleibt bei der Oberen. Der Zug setzt sich in Bewegung. Sehr schnell wird es sehr still in den Wagons. Gegenseitiger Respekt, Rücksichtnahme und Achtsamkeit sind in Asien fest verankerte Grundsätze. Man hört kein Handy, keine Musik, keine Gespräche – es ist noch nicht einmal 20.00 Uhr.

Das erste Highlight naht – ein Zwischenstopp. Um dies nachvollziehen zu können, muss man wissen, dass es in Asien keine Speisewägen gibt (ein Novum in den bereits erwähnten, neu eingesetzten Zügen). Sobald der Zug in den Bahnhof eingelaufen ist, öffnen sich die Türen und fliegende Händler stürmen in Scharen die Wagons, um Speisen und Getränke aller Art anzubieten. Sie haben nur die wenigen Minuten des Zwischenstopps zur Verfügung, um ihre Waren lautstark an den Mann zu bringen. Ein geschäftiges, fast panisches Treiben herrscht auf den Gängen und genauso schnell wie es losbrach, ist es auch wieder vorbei. Der Zug setzt seinen Weg fort.

Emilia schläft seelig über mir in ihrer “Höhle“. Stoffl und Marie liegen auf der anderen Seite mir gegenüber. Ich sitze in geduckter Haltung in meiner Koje, lasse den Blick durch das Fenster schweifen. Der Geist ist frei.

Wir rattern durch die Nacht, und haben die Lichter der Dörfer verlassen. Der Küstenlinie folgend geht es gen Norden. 13 Stunden und 900 km durch das ehemalige Siam.

Ich sitze in meiner kleinen Zugwelt, meine Blicke schweifen durch das niedrige Fenster in die Dunkelheit.

Die Welt schläft.

Bangkok, wir sehen Dich im Morgengrauen…

Unsere Einlösung aus dem Hochzeits-Olineshop:

„Nachtzug Surat Thani nach Bangkok“


– Danke an das Team Shopping –

14 Stunden Erlebnis war besonders für die Kids ein Highlight.

2 Kommentare

  • Eva Schmäing

    Wieder ein megaschöner Bericht und bitte lasse ein Buch drucken nach dieser Reise!!!
    Ich nehm sofort eines und an
    Emilia:
    Lieben Dank für Deine tolle Berichterstattung und das Du uns das alles so schön erklärt und gezeigt hast. Ganz toll wie Du das machst.
    Ich wünsche euch allen weiterhin viel Spaß und unvergessliche Eindrücke auf eurer Reise

  • Florian Flash

    Danke für diese tollen Einblicke!
    Der Nachtzug war ja wohl ein wahres Paradies für Emilia

    Liebe Grüße aus der Undizstraße

    PS: Das Auto steht noch, auch wenn es vor lauter „Abverkauf Zetteln“ kaum noch sichtbar ist 🙂

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