
Wat Tham Suea oder 1.260 Stufen zur Erleuchtung 🇹🇭
„Nähe“ ist ein großes Thema während einer Langzeitreise mit Familie. Das sprichwörtliche „24-Stunden-aufeinander-sitzen“ verliert seine Sprichwörtlichkeit und wird zur Realität. Für uns in der Form eine erstmalige Erfahrung, welche von jedem einzelnen sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Mehr dazu in einem späteren Beitrag…
Emilia war schon immer ein Kind, welches Freiraum benötigt. Zu viel Nähe führt bei ihr zu Unausgeglichenheit. Gepaart mit Bewegungsmangel wird daraus eine 6-jährige, tickende Zeitbombe. An diesem Punkt angekommen, muss sie für kurze Zeit ausbrechen um wieder eingenordet zu werden. Dann heisst es „Jacke anziehen und ab an die frische Luft“. Sei es die Stunde auf dem Spielplatz oder die winterliche Tour durch den Schwarzwald – danach ist sie seelenbereinigt.
An diesem Punkt kamen wir in Krabi an. Die Laune sank von Tag zu Tag. Es wurde Zeit das zappelnde Nervenbündel wieder zu erden.
Eine halbe Stunde von Krabi entfernt existiert am Fuße eines Berges der Tempel „Wat Tham Suea“ (Tiger Cave Tempel). Der Sage nach, ließ sich ein Mönch in einer Höhle im Dschungel zum Meditieren nieder. Des Nachts hörte er das Brüllen eines wilden Tigers, der ihn jedoch verschonte und in den Bergen verschwand. An den Höhlenwänden fand der Mönch Spuren von Tigerpranken und begriff, dass er sich in der Behausung des Tieres niedergelassen hatte. Aus Dank, dass er ihn am Leben ließ, wurde in der Höhle ein Tempel errichtet.
Auf der Spitze des Berges selbst befindet sich ein ca. 400 qm grosses Plateau. Hier findet man einen Schrein mit einer goldenen Buddha Statue, welche thronend über das Land blickt. Der Weg auf das Plateau führt über eine Treppe mit 1.260 Stufen, welche bis zu 40 cm hoch sind. Sie windet sich den von wilden Affen bewohnten Berg auf knapp 300 Höhenmeter hinauf. Eine Tour, welche wir uns nach Recherche, mit Marie nicht zutrauten, für Emilia und ihre derzeitige Laune aber genau das richtige Ausgleichsprogramm darstellte.
Wir weihen unsere Große am Tag vorher in das Abenteuer ein. Sie ist Feuer und Flamme. Endlich wieder “Papa-Emilia-Tag“. Der Wecker klingelt am nächsten Morgen um 6.30 Uhr. Wir möchten sowohl der Mittagshitze als auch den Touristen zuvorkommen. Der Rucksack ist mit Trinkwasser und Proviant bestückt. Alles Essbare ist luftdicht verstaut, um einen bösartigen Kontakt mit Affen zu vermeiden. Der Ort ist bekannt dafür…
Auf der Straße winken wir uns einen lokalen Bus der „Red Line“ herbei. Hierbei handelt es sich um halb-offene Pick-Up Trucks, welche auf festen Routen die Stadt durchfahren. Im HoppOn-HoppOff Prinzip kann zu einem festen Preis der Bus genutzt werden. Bushaltestellen oder Fahrpläne existieren nicht. Für ein paar Baht extra und ein freundliches Lächeln bringt einen der Busfahrer i.d.R. an fast jeden gewünschten Ort – für den Bruchteil des Preises eines Taxis. Diese Art der Fortbewegung wird seltenst von Touristen genutzt. Grund hierfür dürfte die Systematik sein, wie die Busse zu nutzen sind bzw. wie man an diese Info kommt – oder es liegt einfach an den fehlenden Fenstern, Türen und Klimaanlagen :o)
Wir teilen uns den überfüllten Pick-Up mit einer Gruppe Schulkinder. Die letzten, die zusteigen, verbringen die Fahrt außen am Fahrzeug stehend auf dem Trittbrett – eine Hand am Fahrzeug, die andere am Handy. Wir sind sichtlich eine kleine Attraktion für die Kids. Tuschelnd und kichernd wird sich über uns unterhalten. Mit dem Handy werden heimlich Fotos gemacht.
Nach 30 Minuten Fahrt erreichen wir das Tempelgelände, welches menschenleer ist. Da der Tempel abseits der regulären Busroute liegt, vereinbaren wir mit dem Fahrer eine Abholzeit und verabschieden uns.
Die Anlage ist weitläufig und besteht aus einem großen Tempel und mehreren kleinereren Gebetshäusern und Schreinen. Das Wohnhaus der Mönche befindet sich unweit der bereits erwähnten Höhle. Diese wollen wir erst nach dem Abstieg besichtigen. Eine große Anzahl an wilden Hunden haust in der Tempelanlage. Die Affen scheinen noch zu schlafen. Wir sichten nur wenige, die uns neugierig beäugen.
Wir beginnen mit dem Aufstieg und bereits nach wenigen Metern wird klar – es war die richtige Entscheidung, die Tour nicht mit unserer Kleinsten zu planen. Eine ca 150 cm breite Treppe windet sich den Berghang hinauf. Teilweise so steil, dass auf das Nutzen des Treppengeländers unmöglich verzichtet werden kann. Vereinzelnde Streckenabschnitte erfordern sogar den Einsatz beider Hände. Ein Sturz hätte massive Folgen. Die Stufen an sich folgen keinerlei Norm. Mal flach und breit. Mal hoch und schmal, so dass kein ganzer Fuß auf sie passt. Einige Stufen sind für Emilia kniehoch. Das Treppensteigen wird zur Kletterpartie. In lächerlich kurzen Abständen müssen wir Pausen zum Luft holen und Trinken einlegen.
Wir gewinnen schnell an Höhe. Die Aussicht über das Tal ist vielversprechend. Mit Stoffl wurde abgemacht, dass wir abbrechen, sobald die Kleine an ihre Grenzen kommen würde. (Das sind die Art Absprachen, welche bei einem Papa-Emilia-Tag so getroffen werden müssen :o)
Nach hundert Metern wird es auf ein Mal laut. Vor uns prescht eine Gruppe Affen aus vielleicht zwanzig Tieren bestehend die Treppe hinunter. Es wimmelt nur so von Ihnen. Sie stürmen uns um die Beine, springen über unsere Köpfe. Hangeln sich über uns in den Bäumen von einer Seite der Treppe zur anderen. Bei nur 1,50 Treppenbreite haben wir keine Chance dem Tumult zu entgehen und stehen auf ein Mal inmitten in einer Affenhorde. Emilia hat großen Respekt vor Tieren an sich. Ich merke wie sie sich beginnt panisch an mich zu krallen. Vor dem Aufstieg hatten wir diese Situation besprochen und wie sie sich verhalten solle. Nach wenigen Sekunden beruhigender Zusprache fängt sie sich wieder und wir laufen den Weg weiter. Wir versuchen bestmöglich von den Weibchen mit ihren Jungen Abstand zu halten. Einige jüngere Tiere präsentieren stolz ihre Trophäen. Von Flip Flops über Trinkflaschen hin zu Kleidungsstücken findet man so einiges in ihren Händen.
Nach ca. 15 Minuten haben wir die Affen hinter uns gelassen. Außer ihnen werden wir niemand weiteres auf dem Weg zum Tempel antreffen. Als Motivation zum Erreichen des Ziels hatten wir für Emi Snacks eingepackt, von denen sie die Ersten ab der Hälfte der Strecke bekommen sollte. Sie ist jedoch so motiviert, dass sie auf die Pause und die Snacks verzichtet und den Weg fortsetzen möchte. Wie eine Bergziege bewältigt sie die Stufen in einer Geschwindigkeit, dass ich ihr kaum nachkomme.
Nach einer dreiviertel Stunde haben wir den Aufstieg geschafft. Atemlos erreichen wir das Hochplateau. Wir sind die ersten Besucher an diesem Morgen. Es herrscht Totenstille. Kein Vogel, kein Auto, kein Mensch. Nur der Wind, der uns seine frische Brise ins Gesicht weht und sich an den Tempelgebäuden bricht, erzählt die Geschichte dieses einsamen Ortes. Die Weitsicht tief ins Land hinein ist atemberaubend. Die riesige, goldene Buddha Statue ruht friedlich über allem – ein mystischer Ort. Der Himmel ist wolkenbehangen und scheint zum Greifen nahe. Es wird später am Tag noch gewittern.
Emilia steht einige Meter abseits von mir. Ich beobachte sie still. Ihre Blicke schweifen über die Weite bis zum Horizont. Das sonst quirlige Bündel ruht wortlos und andächtig vor der Buddha-Statue. Ihre Augen versuchen die Szene einzufangen. Die dämonenhaften Gestalten, welche den Schrein zieren, die drachenartigen Wesen, welche sich in bunten Farben über den Boden erstrecken.
Ich hole ihre Snacks aus dem Rucksack. Leise flüstere ich ihr ins Ohr, wie stolz ich auf sie bin und dass ich sie liebe. Mit einem zufriedenen Lächeln setzt sie sich vor die Füße Buddhas und beginnt zu picknicken. Ich gebe ihr ihren Raum. Sie ist im Moment, sie spricht kein Wort – seelenbereinigt.
Impressionen – Tiger Cave Tempel
Wir verweilen ungefähr eine Stunde, bevor wir uns auf den Abstieg machen. Bereits nach wenigen Metern merken wir, wie unsere Beine beginnen zu zittern. Wir lassen uns Zeit für den Weg. Unten angekommen, finden wir die Anlage von Affen bevölkert vor. Die ersten Touristen sind angekommen und machen sich auf den Weg zur Bergspitze.
Wir haben noch eine halbe Stunde Zeit, bis wir von unserem Bus wieder abgeholt werden und machen uns auf zur Tigerhöhle. In Thailand ist es üblich, dass die Bevölkerung die ansässigen Mönche mit Lebensmitteln versorgt. Im Gegenzug werden die Gönner von den Mönchen gesegnet. Als wir den Höhlentempel betreten, ist eine solche Segnung in Gange. Mit respektvollem Abstand beobachten wir die Thais, welche in Familiengruppen an die Mönche herantreten, Ihre Geschenke übergeben und dafür in einem buddhistischen Ritual gesegnet werden. Einer der Mönche erblickt Emilia und winkt sie zu sich. Verunsichert schaut sie zu mir. Ich deute ihr an, dass sie ruhig gehen kann. Sie flüstert mir ins Ohr: “Aber Papa, ich habe doch garnichts zu Essen für den Mönch.“ Ich muss schmunzeln. Im Marschgepäck befindet sich noch eine Flasche Wasser und ein abgepacktes, thailändisches Brötchen gefüllt mit grüner Marmelade. Ich gebe ihr beides in die Hand. Zögerlich läuft sie zu dem Mönch und überreicht ihm ihre Gaben. Er deutet ihr an, dass sie sich hinknien solle und er beginnt Emilia zu segnen. Als Dankeschön bindet er ihr ein handgeknüpftes Armband um das Handgelenk. Vor Stolz platzend läuft sie zu mir zurück.
Müde und mit vielen Eindrücken beladen kehren wir an diesem Tag in unser Hostel zurück, in dem uns Stoffl und Marie bereits schon sehnsüchtig erwarten…
8 Kommentare
Barbara Kniebetsch
Ein fantastischer Blogeintrag.
Unbeschreiblich schöne Fotos.
Ich bewundere euch, wie ihr das alles angeht.
Ja und Emi…
Meine kleine mutige und starke Maus. Bin unendlich stolz auf sie.
Marcus Kniebetsch
Auch wir waren super stolz auf sie. Ein richtig zähes Weib 😜 Wir wachsen jeden Tag mit- und aneinander – eine tolle Erfahrung für uns als Familie auf dieser Reise.
Eva S
Also erstmal ein paar Worte an Emilia:
„Das hast Du suuuuper gemacht und da kannst Du wirklich sowas von stolz auf Dich sein das Du das geschafft hast!“
Ich glaube ich hätte übernachten müssen zwischendurch 🙂
Dieser Eintrag liest sich wieder einfach nur erfrischend und absolut überragend geschrieben! Jeder Abenteuerroman erblasst gänzlich daneben – auch die Filmchen zwischendurch machen das ganze so lebendig.
Die ganze Szenerie könnte locker mit einer zig Millionen Dollar Produktion aus Hollywood mithalten – und irgendwie kam bei den Affen und allem ein bisschen JUMANJI feeling in mir vor! 😉
Also ich kann es nur wiederholen – macht bitte ein Buch danach draus oder veröffentlicht den Blog! Wirklich eine Gabe so zu schreiben und DANKE das wir die Abenteuer so real miterleben dürfen.
Und jetzt erstmal die Füße hochlegen und ganz viel Eis für Emi!
…ich hätte es nicht geschafft an den Hunden vorbei zu laufen! 😉 wäre mit allen wieder runter gekommen – hahaha!
Ganz liebe Grüße an euch alle – be proud!
Grüße von der Eva
Marcus Kniebetsch
Vielleicht meldet sich ja Hollywood noch 😋 Schön, wenn ihr Spaß am Lesen habt. Wir haben das erste Mal versucht auch Videos einzubauen. Alles noch ein bisschen ruckelig und unprofessionell, wir finden aber dass das eine tolle Erweiterung zu unseren Worten ist und dem Gelesenen zusätzlich Farbe verleiht. An den Hunden hättest du deinen Spaß gehabt. Die zwei schlafenden Hunde auf dem Video haben tatsächlich all die Treppenstufen auf sich genommen. Sie waren die einzigen zwei dort oben.
Schmäing Margret
Nun habe ich mir euren spannenden Bericht schon heute zum 2.mal angesehen!
Er hat an Fastination noch gewonnen.
Unglaublich was die kleine Maus EMI mit Begeisterung geschafft hat!
Man wird verzaubert von den Bildern und die tolle Dokumentation von Marcus l
Ihr habt meine volle Bewunderung und ich freue mich schon jetzt auf euren nächsten Blog!
Seid herzlich umarmt!
Base Margarete🥰
Marcus Kniebetsch
Vielen lieben Dank, Tante Margret. Wir freuen uns immer sehr zu hören, dass ihr Spaß am „dabei“ sein habt.
Birgit Bachimont
Ja Wahnsinn wie ihr es schafft uns daheim gebliebene mitzunehmen …. ihr schreibt so klasse und die Filme dazu … einfach klasse 💪🎈 was ein groß artiges Talent das so ooo lange geschlummert hat darf endlich zum Vorschein kommen🎉 und heee ihr legt ja erst los… 🎉💪🥰
Doris Froß
Hallo Zusammen,
euer Papa-Tochter-Tag war ja was ganz Besonderes. Unglaublich wie die Emilia so aufgeweckt und sportlich diese
Treppen und Strecke meistert und wirkt sichtlich immer fröhlich dabei.
Zu Papa Markus kann ich nur sagen – alle Achtung – wie schön solche Erlebnisse zusammen zu erleben und den
Tag in so einer lebendigen Geschichte wiederzugeben – fantastic.
Liebe Grüße aus Teningen
Doris
Ganz liebe Grüße auch an Mami Steffi und Marie