
Reisealltag – Realität abseits von Photoshop & Co.
Vor unserer Reise wurden wir von vielen Menschen mit den Worten „Wir wünschen euch einen schönen Urlaub“ verabschiedet. Nach fast zwei Jahren der Vorbereitung und dem Auseinandersetzen mit einer unendlichen Anzahl an Fragen und Herausforderungen war uns früh klar, dass eine Langzeitreise wenig mit einem klassischen Urlaub gemeinsam haben würde. Die meisten Menschen haben dies nicht verstanden.
Der klassische Urlaub dauert zwei oder drei Wochen an. Er steht unter dem Stern der Erholung oder des Erlebens. Ein gewisses Budget wird großzügig für Aktivitäten, Unterkünfte und Essen eingeplant. Es soll das Highlight des Jahres werden. Man möchte sich “etwas gönnen“. Der Alltag wird für die Dauer dieser Zeit auf Flugmodus gesetzt. Man taucht ab und füllt die Batterien auf.
Auch wenn eine Langzeitreise durchaus streckenweise den Charakter eines Urlaubes hat, so ist es doch mehr der Transfer des Alltags (mit all seinen Herausforderungen) in eine andere, unbekannte Welt. Das Spannende hierbei ist, dass die Alltagstücken in einem gänzlich anderen Umfeld gelöst werden müssen. Butter für das Brot gibt es in Bangkok eben nicht. Hygieneartikel für Damen im indonesischen Hinterland ebenso wenig, der Frage nach einer Kinderzahnbürste wird mit ungläubigen Blicken entgegnet, Zugtickets in Australien zu kaufen ist ein kleines Abenteuer für sich.
Für uns war der Inhalt unserer Reise die Chance, eine einmalige Familienzeit miteinander verbringen zu können. Es war für jeden von uns eine Sinneserweiterung in vielerlei Hinsicht. Es war ein Verlassen der Komfortzone in ungeahnter Weite. Es war ein sich Stellen seiner Ängste. Es war ein Wachsen mit- und aneinander. Es war kein Erleben, sondern Leben in anderen Kulturen. Es war am allerwenigsten Urlaub.
Die schöne Welt von Youtube & Co.
Als Leser unseres Blogs (und allgemein der meisten Reiseblogs) mag der Eindruck entstehen, dass all die Monate der Reise geprägt sind von einer Aneinanderreihung an Highlights und Bucketlist-Moments. Photoshop bearbeitete Bilder und musikalisch hinterlegte Videos zeigen lächelnde Gesichter vor Kulissen weit entfernter, fremder Länder. Die Sonne scheint immer. Das Essen schmeckt stets großartig. Die Unterkünfte sind traumhafte Resorts wie aus dem Reiseprospekt. Das Alles wird auf einem silbernen Tablett serviert – „Living the good life“
Im Laufe unserer Zeit haben wir einige professionelle Blogger und auch szenebekannte Youtuber getroffen und erleben dürfen. Unser Blog hatte als Hintergrund nie den Sinn des Geldverdienens gehabt, dies mag ein entscheidender Unterschied sein. Die Kluft, welche jedoch zwischen der Realität des Abgedrehten und der später dargestellten Szene online existiert, könnte größer nicht sein. Es ist ein Business und hat oft (und wir sind geneigt das Wörtchen “meist“ zu benutzen), nicht viel mit der dargestellten Realität zu tun.
Wir haben uns stets bemüht, unseren Blog so authentisch wie möglich zu gestalten. Die verlorenen Kilos auf der Reise (fast 17 an der Zahl) waren nicht retuschiert, genauso wie Marcus‘ gedeihende Haarpracht. Wir haben nicht Stunden damit verbracht, Kindern mit undenkbarem Aufwand ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern, um genau diesen Moment auf Bild fest zu halten. Wir haben die dargestellten Orte erlebt und nicht nur besucht und fotografiert. Das Essen, was wir auf Bild festhielten, landete auch so in unseren Mündern. Die Menschen, welche wir ablichteten, haben wir stets um respektvolle Erlaubnis gefragt.
Nach 4 1/2 Monaten unserer Reise wollen wir mit all den Klischees aufräumen, welche man (uns inklusive) beim Verfolgen eines Reiseblogs haben mag und in unseren Augen eine Langzeitreise von einem Urlaub unterscheiden.
Hier kommt die ungeschminkte Wahrheit – viel Spaß damit.
Weltreise mit Kindern – „Hallo“ zur Realität
Die Idee, auf Weltreise zu gehen, entstand Jahre vor unseren Kindern. Das Bild, welches sich bunt in unserem Kopf abzeichnete, ging vom Bungeejumping in Südafrika bis hin zum Cocktail in einer fancy Rooftop Bar in Singapur und dem Besuch von Sterne Restaurants in den Metropolen dieser Welt. Kinder verändern dieses Bild massiv und malen es in ihren eigenen Farben. Natürlich kann Mama mit zwei hysterisch weinenden Kindern zuschauen, wie sich Papa mit einem Gummiseil an den Füßen von einer Brücke stürzt. Der Kellner im Sternerestaurant kann mit einem äußerst generösen Trinkgeld milde gestimmt werden, so dass der Berg an Essensresten, welchen das vor Müdigkeit dauerquängelnde Kind unter dem Kinderstuhl auf dem sündhaft teurem Teppich verteilt hat, nicht mehr so ins Gewicht fällt – aber ehrlich: “Spaß“ im Sinne von Entspannung bedeutet dies nicht. Weder für die Eltern selbst noch für das Umfeld, welches das oft einmalige Erlebnis ebenfalls in allen Zügen genießen möchte. Ein Umstand, der uns klar war und in allen Facetten vor der Reise durchgespielt wurde. Man bereitet sich gänzlich anders auf eine Weltreise mit Kindern vor. Sind es nicht nur die Aktivitäten, welche mit Kindern limitiert sind, es ist auch die Geschwindigkeit, mit der man sich grundsätzlich fortbewegt. Kinder brauchen eine „Homebase“ und akklimatisieren sich an ständig wechselnde Orte in einer anderen Geschwindigkeit als wir Erwachsene. Wer nicht dauerhaft übermüdete, gereizte und fernab des inneren Rhythmus vegetierende Kinder genießen möchte, sollte dies berücksichtigen. Im Zuge unserer Vorbereitung haben wir in diesen Punkt viel Zeit investiert, um nicht während der Reise dauerhaft von unerfüllbaren Erwartungen enttäuscht zu werden. Hätten wir dies im Vorfeld nicht beachtet, wäre der Frustfaktor mit Sicherheit hoch gewesen.
Und so findet man sich an vielen Abenden in einem aus budgetgründen winzigem Zimmer mit nur einem Bett wieder, zwischen zwei Erwachsenen rotieren zwei Kleinkinder schnarchend im Schlaf, die lauwarme Dose Bier in der Hand, das Display des Handys beleuchtet Fahl den dunklen Raum. Es ist 20.15 Uhr. Von Fernem hört man die Loungemusik der Rooftop Bar. Die große weite Welt so nah und doch so fern.
Man wird Profi im Bereich Indoorspielplätze. Man tauscht das Sternerestaurant gegen das Kindermenü im McDonalds ein. Die Standardfrage bei der Buchung einer Tour nach dem Mindestalter der Teilnehmer stellen wir automatisiert.
Weltreise mit Kindern bedeutet Verzicht in vielerlei Hinsicht. Es bedeutet aber auch, sich auf das grösste Abenteuer einzulassen, welches man sich mit seinen Kindern nur erträumen kann. Es bedeutet seinen Kleinen die Welt zu öffnen. Es bedeutet ihnen Vertrauen und Selbstbewusstsein zu schenken. Es bedeutet unsagbare Nähe. Es bedeutet Liebe mit jedem einzelnen Schritt.







Reisen kostet Geld und es wächst auch anderswo nicht auf Bäumen
„Wie könnt ihr euch einen so langen Urlaub erlauben?“ Auch eine Frage, welche wir häufig so (oder verbal anders verpackt) gestellt bekommen haben. Antwort: “Garnicht“. Wäre es nämlich ein Urlaub in dieser Länge, hätten wir einen Kredit dafür aufnehmen müssen. Langzeitreisen bedeutet für die meisten Menschen sich budgetorientiert zu bewegen. Das Geld, welches man im Urlaubsmodus für gewisse Highlights ausgibt, muss auf anderem Wege wieder kompensiert werden. Eine Übersicht über die laufende Kostensituation ist unvermeidbar, wenn man nicht Gefahr laufen möchte, die Reise vorzeitig, auf Grund geleertem Konto, abzubrechen. Die Frage, “Wieviel kostet das und gibt es nicht eine günstigere Alternative“ ist also ein ständiger Wegbegleiter, welcher mit Zeit und Aufwand verbunden ist. Stichwort Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten, Essen oder Fortbewegungsarten. Noch nie haben wir sechs Monate unseres Lebens derart budgetorientiert gelebt. Und dies beeinflusste unseren Alltag immens.
Bedingt durch die noch sich in der Hochphase befindenden Corona-Pandemie, kamen ungeahnte Kosten für Quarantäne und PCR Tests (knapp 30 an der Zahl) auf uns zu. Ungeplante Krankenhausbesuche schlugen sich im Budget nieder und wurden mit Ramen-Soups aus der Tüte wieder kompensiert. Fixkosten in der Heimat konnten nur teilweise reduziert und mussten stets mit kalkuliert werden. Corona machte uns mehrfach und in vielerlei Hinsicht einen Strich durch so manche Rechnung.
Langzeitreisen bedeutet auch stets, seine Einnahmen-Kosten Situation zu managen und im Überblick zu haben. Ein Umstand, welcher in einem klassischen Urlaub eher geringere Priorität hat.
17.280 Stunden
Die Anzahl der Lebensstunden, welche wir vier im Laufe der Monate miteinander verbracht haben, war beachtlich. Wie man aus dem Physikunterricht noch weiß, verursacht Nähe Reibung. Auf Reisen, in ungewohntem Umfeld noch mehr als anderswo. Es war für uns eine unglaubliche Erfahrung, sechs Monate am Stück 24 Stunden miteinander verbringen zu dürfen. Nonstop.
Wir schliefen den Großteil der Zeit in einem einzigen Bett. Es gab für niemanden eine Auszeit, die Job, Kindergarten oder Hobby hieß. Und natürlich führte dies zu Momenten, in denen die kleinen Sünden des Alltags sich aufkummulierten und irgendwann zum explodieren kamen. War es bei den Kids der Frust über zu wenig Freiraum, passende Spielpartner oder -Orte, so waren es bei Stoffl und mir Fragen des Alltags wie Sichtweisen bei der Erziehung, Ernährung oder Aktivitäten mit den Kindern. Alles in allem waren die Reibungen in der Intensität jedoch unglaublich selten. Respekt und Toleranz waren Werte, welche auf engstem Raum grösstmögliche Bedeutung bekamen und von allen gelebt wurden. Wir waren den Großteil der Reise ein sehr harmonisches Team. Es wurde viel gelacht. Es wurde viel geliebt. Es wurde gestritten, geweint und versöhnt. Es wurde Mut gemacht. Es wurde selbstlos Hilfe geleistet. Denn wir alle wussten: Das Abenteuer Weltreise würde nur so lange fortgesetzt werden, wie jeder einzelne von uns sich damit wohl fühlen würde. Wir haben es durchgezogen. Bis zum letzten Tag. Als Familie.

Unterkünfte wie im Reisekatalog
Öffnet man Youtube und gibt ein beliebiges Reiseziel ein, eröffnen sich einem hunderte von Videos, aus traumhaften Resorts an einzigartigen Plätzen dieser Welt. Insofern man mit einem Reiseblog nicht sein täglich Brot verdient und dem residierenden Hotel mit seinem Aufenthalt keine Werbung in Form von Klicks und Likes liefert, bleiben einem diese Unterkünfte auf einer Langzeitreise verwehrt (das dürfte auf 99% aller Weltreisenden zutreffen). Dies wird dadurch bestätigt, das man eine doch beachtlich hohe Anzahl von sich auf Weltreise befindenden Menschen in Hostels und Homestays trifft, in 5-Sterne-Hotels jedoch nicht. Wir haben meist ein Mal pro Land in einem “fancy“ Hotel übernachtet, sozusagen als Urlaubskomponente unserer Reise. Alle andere Nächte verbrachten wir in Unterkünften, welche im Budget einer Langzeitreise verfügbar sind und dies war mehr als abenteuerlich. Geckos und Ameisen sind für uns im Zimmer zum nicht erwähnenswerten Alltag geworden. Waren es klamm-feuchte Betten mit Badezimmer unter freiem Himmel in Indonesien oder Zimmer, welche so klein waren, dass uns das Hotel anbot unser Gepäck in einem separaten Raum zu verwahren in Singapur. Wir haben uns an Räumlichkeiten ohne Türen und Fenster zum verschließen gewöhnt, an Bettlaken und Handtücher, die seltenst fleckenfrei waren, an Krabbeltiere in einer Größe, dass wir in unserer Küche keine geeignete Tasse fanden, um sie einzufangen. Zum Badezimmer gehörte Schimmel in irgendeiner Art (und wenn mal nicht, fragten wir uns was hier los sei). Bei einem tropischen Monsum leckt auch irgendwann das dichteste Palmblattdach. Zimmer ohne Fenster haben den Vorteil einer dauerhaften Belüftung, für jeden und alles, was sich nachts dort so aufhalten möchte. Übernachtungen in Asien beginnen bei € 2,- pro Person und Nacht. Man wird genügsam auf einer Langzeitreise…
Was uns jedoch stets an der Art des ursprünglichen Reisens abseits der Touristenrouten und der 5-Sterne-Hotels faszinierte, war die Art und Weise, wie wir das Leben der lokalen Bevölkerung erleben konnten und die Bekanntschaften, welche sich daraus ergaben. Es ist doch etwas anderes, ob man von der Besitzerin der Unterkunft in ihren eigenen Wänden bekocht wird oder im Restaurant des Hotels auf sein Essen wartet. Auch wenn die Pancakes im Hotel meist ohne eingebackene Ameisen daher kamen.
Die Orte, welche wir aufsuchten, waren bewusst ursprünglich, einfach und dem Leben des besuchten Landes angepasst. Für uns machte dies stets die Attraktivität eines Ortes aus. Und oft fand man auch hier Perlen, welche anderswo nur zu horrenden Preisen zu haben gewesen wären. Wir durften Land, Leute und Kultur in einer Tiefe erleben, welche in einem Hotel einer internationalen Kette so niemals zu Stande gekommen wäre. Der Preis hierfür ist ein spürbarer Verzicht der Komfortzone. Einheimische Leben eben auch nicht in 5-Sterne-Hotels.
Wer sich einmal darauf einlässt, das Leben der Einheimischen authentisch zu teilen, erfährt eine Einfachheit des Lebens, welche wir als solches selbst nicht mehr kennen und deren Sorglosigkeit und Dankbarkeit wir lange vergessen haben. Wir würden es jederzeit wieder tun. Und doch haben wir es unglaublich geschätzt, als aus unserer Dusche in Ettenheim bei unserer Rückkehr heißes Wasser aus der Leitung kam. Wann immer wir wollten und so lange wir wollten. Luxus kann so unscheinbar sein…
Essen
Vorweg – nahezu überall auf der Welt finden sich westliche Restaurants. Wer uns kennt, weiß um den Stellenwert „Essen“ in unserer Familie. Reisen bedeutet für uns landestypische Kulinarik in seiner pursten, ursprünglichsten Form kennen lernen zu wollen. Westliches Essen ist im Nicht-Westen vergleichsweise teuer und seltenst gut. Wer Kinder hat weiß jedoch auch um den ganz eigenen Stellenwert des Essens für die Kleinen. Dies war ein lang diskutiertes und besprochenes Thema, bevor wir auf unsere Reise gingen. Wir kochen zu Hause international und experimentell. Wir binden unsere Kinder stets mit ein. Mehrere verschiedene Mahlzeiten zeitgleich werden nicht zubereitet. Es muss probiert, aber nicht aufgegessen werden. Wir hielten unsere Kinder für kulinarisch gut vorbereitet, mussten jedoch streckenweise feststellen, dass dies eine große Hürde war. War anfänglich die Probierfreude noch groß (Emilia), nahm dies mit zunehmender Reisedauer ab. Besonders in Ländern mit schärferer Küche wie Thailand, war oftmals das Gericht der Wahl “Fried Rice“. Wir durchlebten eine Zeit von zwei bis drei Wochen, in denen es regelmäßig zur Eskalation mit Emi kam. Es schmeckte grundsätzlich “ok“, aber eben nicht wie im Kindergarten, deswegen esse ich es nicht. Die Situation spitzte sich zu und Fast Food wurde mehrere Tage zur Hauptnahrungsquelle. Dies mündete irgendwann in einer heftigen Grundsatzdiskussion aller vier. Nachdem das Gewitter vorbeizog, änderte Emi ihre Einstellung und das Thema war für den Rest der Reise deutlich entspannter.
Marie, grundsätzlich eine schlechte Esserin und untergewichtig, aß mehr oder weniger alles, jedoch stets nur wenig, wie zu Hause auch. Es war mehr das Thema “wie viel“ als das Thema “was“ sie isst. In Thailand gehört Reis zum Grundnahrungsmittel vom Frühstück bis zum Mittagessen. Ein hoher Nährwert, billig und sättigend, ließen wir dies in allen Abwandlungen zu Maries Hauptmahlzeit werden (funktioniert bei Thai-Kindern ja auch). Nach sechs Wochen überkam sie der Würgreiz, wenn ein Löffel Reis nur Ihren Mund erreichte – das war dann wohl Zuviel des Guten. Zum Ende unserer Reise wurde dies schlagartig besser. Eine Phase schien vorbei zu sein. Wir atmeten entspannt auf.
Aber nicht nur das “was“ essen wir war ein tägliches Thema, sondern auch das “wo“ bzw. „wie“? Ein Umstand, den wir in der Planung unserer Reise nicht bedacht hatten. Straßenküchen in Asien haben meist keine Sitzmöglichkeiten. Wir stehen also mit unseren 10 Plastiktüten voll Essen dort – aber wo das ganze jetzt zu sich nehmen? Hotelzimmer bieten oft keine Tische oder weniger Stühle als wir Personen waren. Eine Küche in der Unterkunft gab es manchmal, meist aber nicht. Der Wasserkocher wurde zum meist gefeierten Küchengadget, wenn vorhanden. Wir aßen auf dem Boden sitzend, im Bett liegend, zwei Kinder auf dem Schoß hüpfend, in wackelnden Zügen und auf Booten. Wir (s)aßen auf staubigen Gehwegen in Mitten von trubelnden Menschen und Rollern. Wir aßen im Stehen und Gehen aus Plastikschalen mit Plastikbesteck. Seltenst in den sechs Monaten jedoch aßen wir wie zivilisierte Menschen zu viert auf vier Stühlen an einem Tisch. Das mitgeführte Reisebesteck – zu Beginn der Reise als eher überflüssig bewertet – erwies sich als äußerst wertvoll. Die Kleidung der Kinder zeichnete nach sechs Monaten die kulinarische Landkarte aller bereisten Länder.




Kinder brauchen einen Rahmen
Eine der größten Hürden auf unserer Reise in Bezug auf die Kinder, war den Kleinen einen Rahmen im Tagesablauf zu bieten. Dieser Umstand war uns vor Reisebeginn klar, entpuppte sich jedoch als wirklich schwierig. Während Emilia in ihrem Alter sich größtenteils schon selbst einen Rahmen geben kann, ist Marie ihrem natürlichem Rhythmus unterworfen. Essens- und Schlafenszeiten sind noch maßgebend wichtig. Unsere beiden Kids sind sehr flexibel. Während der Reise haben sie sich an unglaublich viele Gegebenheiten angepasst, die alles andere als Kindgerecht waren. Wir waren monatelang mit dem Rucksack unterwegs. Die Planung reichte seltenst mehr als eine Woche in die Zukunft. Stets “on the road“, war es oft schwierig, Banalitäten wie Zähneputzen, regelmäßiges Essen zu regelmäßigen Zeiten, Homeschooling oder einen Schlafrhythmus einzuhalten. Tischmanieren sind ohne Tisch relativ schwierig zu vermitteln. Nach Monaten FlipFlops tragen, kann das Schuhe binden auch schonmal verlernt sein. Besonders an Reisetagen, an denen wir weite Strecken mit Flugzeug, Bus oder Boot zurücklegten, war das Einhalten des Rhythmus nahezu unmöglich, was uns die kommenden zwei Tage stets sträflich haben büssen lassen.
Da uns im Vorfeld bewusst war, dass der Betreuung der Kinder auf der Reise ein großes Gewicht zufallen würde, beschlossen wir vor Abreise, die Zuständigkeit für je ein Kind tageweise an ein Elternteil zu binden. Der Grundgedanke war, a) nicht einem Elternteil streckenweise die Betreuung beider Kinder aufzuerlegen, b) zu gewährleisten, dass beide Kinder die ungestörte Aufmerksamkeit je eines Elternteiles erhalten und c) dass in kritischen Situationen man nicht Gefahr läuft, das der eine vom anderen denkt, er habe das fehlende Kind an dessen Seite. Um trotzdem die Individualität der Erziehung eines jeden Elternteils beizubehalten, sollte Regel sein, dass ein Team dem anderen nicht in die Quere kommen dürfe. Erlaubte Papa dass das Kind vom Kletterturm springen dürfe, durfte Mama kein Veto einlegen. (Eine Regel, welche wir grundsätzlich in unserer Erziehung befolgen) Hieraus entstand unser “Team-Mama ♥️ Team-Papa“ Modell. Allmorgendlich wurde ein Kind dem „Team Mama“ und dem „Team Papa“ zugeordnet. Als zweier Team wurde anschliessend der Tag mit all seinen Herausforderungen und Verantwortlichkeiten gemeistert. Jedes Kind wusste so um seinen „Ansprechpartner“ für den Tag. Vom an die Hand nehmen beim Straße überqueren bis zum Eincremen vor dem Strandtag war so gewährleistet, dass jedes der Kleinen beachtet wurde.
Natürlich wurde diese Zuteilung der Kinder nicht stoisch den gesamten Tag eingehalten, sondern kam mehr in Situationen zum Tragen, in denen sofortige Disziplin gefragt war. So gelang es uns auch über Monate, dass keines der Kinder je an einem Bahnsteig oder Bootspier vergessen wurde, dass uns niemand in der Wildnis des Dschungels verloren ging oder am krokodilverseuchten Fluss unbemerkt auf die Idee kam baden zu gehen. Im Trubel der Großstädte wähnten wir uns in disziplinarischer Sicherheit, dass unser kleiner Teampartner stets in Armweite entfernt war. Der Ausspruch “Emi, Team Mama!“ bedeutete Präsent zu sein, physisch wie psychisch, da eine Situation dies sofort erforderte. Es bedeutet gegenseitige Hilfe und Achtsamkeit.
Im Laufe der Monate wurde dies zu einem alltäglichen Tool, welches irgendwann unausgesprochen als festes Band zwischen uns funktionierte und in unzähligen Situationen Ordnung und Struktur in eine sonst unübersichtliche Situation brachte. Wir schufen damit einen Rahmen der Sicherheit und des Vertrauens, sowie der Verantwortlichkeit.




Heimweh
“Ich wünschte wir wären nie auf diese blöde Weltreise gegangen!“
Es war im Monat drei, als sich bei Emilia anfing, ein Unwohlsein einzustellen. Eine Mischung aus Heimweh und Überdruss der Situation machte sich breit. Sie vermisste ihren Kindergarten, ihre Freunde, besonders aber ihr Spielzeug und ihr Spielzimmer. Sie vermisste Intimsphäre. Sie vermisste ungeteilte Aufmerksamkeit. Sie vermisste Dinge, welche ausschließlich für sie selbst bestimmt waren und nicht mit ihrer Schwetser geteilt werden mussten.
In den Monaten unserer Reise fanden wir die Welt nahezu touristenfrei vor. Coronabedingt war eine Vielzahl der Länder noch geschlossen. Bei Grenzöffnung eines Landes waren wir stets mit die ersten Touristen, welche einreisten. Dieser in unseren Augen unglaubliche Vorteil führte dazu, dass wir die ersten Deutschen nach erst knapp vier Monaten trafen, die erste Familie mit Kindern nach knapp drei. Emilia musste lernen sich mit nur einem Spielzeug zu beschäftigen oder ihre fünf Jahre jüngere Schwester als Spielpartner zu nutzen (was erstaunlich gut funktionierte). Befanden wir uns in Ländern wie Australien, welche für Kinder ein wahres Paradies mit all seinen Spielplätzen und Stränden darstellten, verblasste das Heimweh ein wenig. Befanden wir uns über längere Streckenabschnitte in sehr ursprünglichen Ländern wie zB dem Hochland von Thailand, floss so manchen Abend vor dem Schlafen gehen die ein oder andere Träne.
Für uns als liebende Eltern waren diese Momente meist ähnlich schwer wie für Emilia. Wir hatten uns fest vorgenommen, diese Reise nur so lange fortzusetzen, wie es für jeden von uns vieren nicht zur Bürde wurde. Wir sprachen offen über dieses Thema. Und so kam es, dass wir eines Abends zum Ende unserer Thailandzeit das Gespräch mit Emilia suchten. Wir erzählten ihr von unserem Eindruck ihres “Glücksbarometers“ und boten ihr an, die Reise nach Thailand abzubrechen. Es dauerte einen Moment bis sie begriff, dass dieses Gespräch und der Vorschlag sehr ernst gemeint waren. Sie sammelte sich innerlich und verneinte das Angebot. Von diesem Tage an wurde es leichter. Emilia fühlte sich wahrgenommen. Sie spürte, dass wir sie, ihre Wünsche und Gefühle ernst nahmen und bereit waren, unser Versprechen einzuhalten. Gespräche wie dieses führten wir im Laufe der sechs Monate ein paar Mal mit ihr, bis sich im Monat fünf das Heimweh stark reduzierte. Wir spürten bei ihr eine Art tiefes Ankommen in der Situation. Die Weltreise war nun auch für Sie zum Alltag geworden. Sie passte sich ungewohnt schnell an neue Gegebenheiten an. Ob gute oder schlechte. Sechs Wochen vor Abreise wurde dann aus Heimweh Vorfreude auf die Heimat. Am Ende der sechs Monate war es Zeit für unsere große Maus, wieder nach Hause zurück zu kehren. Von uns allen hat sie mit Sicherheit die meisten Entbehrungen auf dieser Reise erfahren müssen. Und auch wenn die ein oder andere Träne geflossen ist, so war sie stets mit ganzem Herzen dabei. Sie ist oft über sich hinaus gewachsen. Sie hat uns unzählige Male mit Stolz erfüllt. Dieser kleine Mensch in dieser großen, weiten Welt.
Wir haben die sechs Monate durchgezogen. Es gab gute, wie schlechte Momente. Und die Guten überwogen um ein Vielfaches. Ziehen wir ein Resumee unter das Bild der letzten sechs Monate und fangen es mit unserer Kamera ein, dann wäre es ein Foto voller Liebe, farbenfroh mit tiefen Kontrasten und mutiger, größer, weiter als noch vor unserer Reise – und das alles ohne Photoshop…

